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Baltazar Gomes Figueira im Wechselspiel zwischen spanischen und portugiesischen Interessen

Von Renate Petriconi*

Baltazar Gomes Figueira war Maler, Begründer der sogenannten Malerschule von Óbidos und Vater von Josefa de Aiala (Ayala), die unter dem Namen Josefa de Óbidos (1630-1684) zu den ganz wenigen portugiesischen Malerinnen im 17. Jahrhundert zählte. Immer wieder werden Josefas Werken Ausstellungen im Heimatland gewidmet. Sie muss wohl auch als Quotenfrau herhalten, war jedoch zweifelsfrei eine talentierte Künstlerin empfindsamer, religiöser Bilder mit Sinn für das Dekorative.

Aber wenden wir uns dem Vater Baltazar zu. 1604 als Spross einer angesehenen Familie in Óbidos geboren, besuchte er die Schule von São Pedro, um eine höhere militärische Laufbahn eingehen zu können. Ein Aufenthalt in einem spanischen Truppenstandort versprach Aufstiegschancen, und so wechselte er mit 15 Jahren zur namhaften Garnison Santa Maria nach Cádiz. Über viele Jahre hin sollte Andalusien seine Wahlheimat bleiben. Gomes Figueira verkehrte ab 1626 in der privilegierten Gesellschaft Sevillas und heiratete die Aristokratentochter Catarina Camacho Cabrera Romero. Außerhalb des Garnisonsdienstes galt sein Interesse zunehmend den bildenden Künsten und im Speziellen der Malerei. Zu seinem erlesenen Freundeskreis zählten nun die Maler Francisco Pacheco und Juan del Castillo. Er lernte die Werke von Juan de Roelas und die des großen Sevillaner Meisters Zurbarán schätzen. Als Autodidakt begann er zu malen und bereits 1631 wurde seine Befähigung von der dortigen Malergilde bestätigt. Erster öffentlicher Erfolg stellte sich in Zusammenarbeit mit seinem Freund Castillo mit dem Altaraufsatz der Virgen del Rosário für die Kirche Santa Ana ein. Nun schlossen sich schnell Aufträge an, wie für das dortige Kloster Ángel.

Obwohl seine Arbeitsweise und sein Stil tief und nachhaltig von Sevilla geprägt waren, blieb er seiner Heimat eng verbunden. So konnte seine aktive Förderung der Unabhängigkeitsbestrebungen Portugals um den Herzog von Bragança nicht folgenlos bleiben. Wie konspirativ oder ob hier nur mit schlichtem Gemüt vorgegangen wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. In jedem Falle konnte die spanische Krone das Vorgehen der Staatsräson wegen nicht dulden. 1634 musste die Familie Sevilla verlassen und lebte bis 1636 bei einem Vetter.

Während eines Besuches bei seinen Eltern in Peniche konnte er dort in kontrastreicher Helldunkelmalerei unter anderem Bildfelder von Holzdecken malen. Ob der besseren Auftragschancen wegen oder aus Überzeugung bleibt dahingestellt, jedenfalls trat er den Brüdern der Santa Casa da Misericórdia 1640 in Óbidos bei und zog mit seiner Familie in die dortige Quinta da Capeleira, die spätere Quinta da Calçada. Baltazar erwarb mit seiner Malerei Ruhm und Ansehen, in den Folgejahren wechselten kirchliche Auftraggeber in Óbidos und Coimbra mit anspruchsvollen Dekorationsmalereien für das gehobene Bürgertum, dessen Bedarf kontinuierlich gewachsen war. Auf Grund seiner Initiative wurde auch in Portugal eine oft kleinformatige bildliche Darstellung unbeweglicher, ja lebloser Gegenstände wie Blumen, Früchte, Tiere und Geräte aller Art, arrangiert in einer Anordnung fern ihrer natürlichen Umgebung, immer beliebter und als selbständige Disziplin geachtet, die in Spanien bereits über Jahre zum festen Malerrepertoire zählte. Diese Bildgattung wurde später unter dem Fachbegriff natureza morta (Stillleben) bekannt.

Auch zeichnete er 1653 für die Universität von Coimbra das Deckblatt der Estatutos da Universidade de Coimbra (Lissabon, Biblioteca Nacional da Ajuda). Als überaus reizvolle Gemälde-Serie entstanden 1668 in Zusammenarbeit mit seiner Tochter Josefa die Alegorias aos Meses do Ano. Hier setzten sie in Art der Staffage (Beiwerk) jeweils ein Stillleben vor eine detailreich ausgeführte, topographisch genaue Landschaft. Diese Bilder fristen heute das bedauernswerte Schicksal vieler Serien, sie sind über drei verschiedene Lissabonner Privatsammlungen verteilt. Baltazar war bis ins hohe Alter als Maler tätig. Er verstarb 1674 in Óbidos.

Wenn wir heute sein Gesamtwerk (Werkverzeichnis: Allgemeines Künstlerlexikon, Band XXXIX, 2003, S. 436) betrachten, kann man getrost sagen, es stand unter starker Sevillaner Ausprägung, zeigt einen fast kühnen naturalistischen Monumentalstil mit Plastizität in der Figurengestaltung. Wenn auch seine Bodegóns (Bezeichnung für spanische Gemälde, vorwiegend des 17. Jahrhunderts, bei denen das Innere einer Weinschenke oder Küche den Hintergrund bildet) und Stillleben ungelenk, korrekter formuliert, sehr statisch komponiert sind, stehen sie doch in Portugal am Anfang einer eigenständigen Kunstgattung. Und eben darin ist, neben der Begründung der durch den Sevillaner Einfluss geprägten Malerschule von Óbidos, für die portugiesische Malerei sein besonderes Verdienst zu sehen.

Obwohl die sechzig Jahre währende spanische Herrschaft für die Portugiesen als große Schmach empfunden wurde, hatten diese wechselseitigen Beziehungen am aufgezeigten Beispiel von Baltazar Gomes Figueira für die portugiesische Kunst befruchtenden Charakter.


* PHG-Mitglied Renate Petriconi ist Kunsthistorikerin und lebt in Praia da Luz




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Portugal-Post Nr. 36 / 2006


1653 von Baltazar Gomes Figueira gezeichnetes Titelblatt der Estatutos da Universidade de Coimbra