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Regionale Küche versus Globalisierung

Von José d'Encarnação *

Der bekannte Soziologe Boaventura Sousa Santos von der Universität Coimbra schrieb am 5. Januar 1997 in der Zeitung O Estado de São Paulo in einer Kolumne mit der Überschrift Wenn das Lokale global ist und umgekehrt: "In demselben Maße, wie der Hamburger oder die Pizza zum globalen Allgemeingut werden, so werden die portugiesische Stockfischkrokette oder die brasilianische Feijoada zunehmend als für die portugiesische oder brasilianische Gesellschaft typische Spezialitäten gelten."

Kurioserweise habe ich selbst als Lehrender im Fach Kulturerbe an derselben Universität schon vor mehreren Jahren das gastronomische Erbe unseres Landes zu den Bereichen, die es zu untersuchen, aufzuwerten und zu bewahren gilt, mit aufgenommen. In der Tat handelt es sich nicht um eine bloße, absehbar vorübergehende Mode. Nein: Es wird dabei bleiben, denn diese Haltung - die regionale Küche wertzuschätzen - entspricht dem Wunsch der Bevölkerung zu zeigen, was für sie charakteristisch ist. Und dieser Herausforderung stellt sich seit mehr als einem Jahrzehnt ganz bewusst die portugiesische Gesellschaft, so wie es übrigens überall auf der Welt und in ganz Europa geschieht. Apropos, mit einer gewissen Freude habe ich im April dieses Jahres bei einem Aufenthalt in Tudela (Navarra, Spanien) festgestellt, dass die Stadt sich als "Gemüse-Hauptstadt" bezeichnet und als Aushängeschild für sich die hervorragende Qualität ihres Spargels nennt: "Wir haben den besten Spargel der Welt!"

Auf der Expo '98 lockten die typischen Gerichte der verschiedenen Regionen die Besucher in entsprechende Restaurants. Und Simonetta Luz Afonso, verantwortlich für den portugiesischen Pavillon, legte Wert darauf, bei den täglichen Empfängen echt portugiesische Kanapees zu servieren. Ich weiß noch, dass ich damals zum ersten Mal ein dunkles, sehr schmackhaftes Brot sah, dem alle verwundert mit Genuss zusprachen, weshalb ich sie fragte, wo sie das aufgetrieben habe. Zufällig hatte man ihr einmal, als sie in der Beira Interior unterwegs war, dieses Brot serviert, das unter der Anleitung von jungen Historikern in Kleinbetrieben hergestellt wurde.

Heute werden in allen Schulen, unabhängig von ihrem Niveau, auch schon die jüngsten Schüler angehalten, die traditionellen Rezepte zu erlernen; und es gibt dazu lokale Veröffentlichungen. Kein traditionelles Volksfest verzichtet auf die Kneipen mit den für die Region typischen Spezialitäten. Ich erinnere mich, dass vor vielen Jahren der damalige Bürgermeister von Évora mich zum Mittagessen in ein ebensolches Lokal geführt hat, wo die für den Alentejo typischen Köstlichkeiten serviert wurden, und zwar nach der Art von ... altersher! Hundshaisuppe, Gaspacho, Schweinsfüßchen in Koriandersauce, Kichererbseneintopf ... Und im Laufe der Unterhaltung gestand er mir, dass ihm daran gelegen sei, die einfachen Tavernen als Orte der Geselligkeit und der Pflege einer Identität wiederzubeleben.

Alles erfordert jedoch ein Ritual. Deshalb schafft sich auch die traditionelle Gastronomie ihre Zeremonien, ihre Bruderschaften. In der Gegend von Coimbra zum Beispiel gibt es die Confraria da Chanfana (Chanfana-Bruderschaft) mit Sitz in Vila Nova de Poiares, deren Mitglieder vor allem in der Semana da Chanfana (Chanfana-Woche) irgendwann im Januar ihre Gewänder - fast wie einstmals die Mönche - anlegen und Mittag- und Abendessen veranstalten, zu Ehren dieses Gerichts, das aus in Rotwein mariniertem Ziegenfleisch zubereitet wird. Und es gibt die Confraria Gastronómica do Arroz e do Mar (Gastronomische Bruderschaft Reis und Meer), in der sich Coimbra, Montemor-o-Velho und Figueira da Foz vereint für den Reis mit Meeresfrüchten und Fisch-Nudel-Eintopf stark machen, insbesondere im Winter und um die Weihnachtszeit. Im Frühjahr gibt es dann die Festa da Lampreia (Meerneunaugen-Fest) - wenn der Rundmäuler zum Ablaichen aus dem Meer in die Flüsse kommt, wird er gefangen und zu einem Reisgericht verarbeitet, das unzählige Liebhaber hat.

Wer, im übrigen, der Mittelportugal kennt, denkt nicht an das Spanferkel nach Bairrada-Art? Die regionale Küche, die seit jeher klug die jeweils von der Natur vorgegebenen Mittel genutzt hat (wie reich, zum Beispiel, setzt die Alentejo-Küche Kräuter ein!), wird heute als eine der Fahnen hochgehalten, mit der wir auf unsere Identität pochen!

Übersetzung: Karin von Schweder-Schreiner


* Professor an der Universität Coimbra. Wohnt in Cascais, wo er als Historiker, Archäologe, Schriftsteller und Journalist tätig ist.






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Portugal-Post Nr. 39 / 2007