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Keine Suppenkasper weit und breit

Von Maria Hilt

Als ich während meines Portugal-Semesters das erste Mal eines der gigantischen portugiesischen Einkaufszentren besuchte, staunte ich nicht schlecht: In der kulinarischen Zone herrschte beim großen gelben "M" gähnende Leere. Dahingegen standen sich vor der Casa das sopas die hungrigen Konsumenten die Beine in den Bauch. Verkäuferinnen mit adretten weißen Häubchen schöpften dampfende Suppen aus großen Bottichen, und Teenager, Familien und Geschäftleute löffelten sie genüsslich.

Bald stellte ich fest, dass die Suppe als primeira refeição den Portugiesen neben dem Bacalhau wohl die liebste Mahlzeit ist. Vom Algarve bis in den Minho war sie lange Zeit das Hauptnahrungsmittel der armen Bevölkerung. Auch in der kargsten Hütte brannte den ganzen Tag ein Feuer, über dem in einem Topf die sopinhablubberte. Ob zum Frühstück, zum Mittag oder zum Abendessen - ein Teller Suppe mit einem Brocken Maisbrot war meist das einzige Nahrungsmittel der Bauern und der Tagelöhner. Ganz besonders beliebt war nach einem anstrengenden Tag die sopa de cavalo cansado, die Suppe des müden Pferdes. Dafür wurde in eine Mischung aus warmem Rotwein und Zucker Maisbrot eingeweicht. Schon die kleinen Kinder wurden auf dem Land mit diesem engergiegeladenen Gemisch aufgezogen.

Der ärmste und wohl gewiefteste aller Portugiesen erfand seinerzeit die sopa de pedra, die Steinsuppe. Die Legende erzählt, dass ein armer Mönch eines Abends in Almeirim im Ribatejo an eine Haustür klopfte, um etwas Essen zu erbetteln. Die Hausbesitzer wiesen ihn jedoch barsch ab. Da griff der Mann nach einem Stein, der am Boden lag, säuberte ihn ein bisschen und sagte: "Na, dann mache ich mir eben eine Steinsuppe." Die Leute wurden neugierig und ließen den Mönch eintreten, damit er ihnen zeige, wie man aus einem Stein eine Suppe kochte. Erst bat er um einen Topf mit etwas Wasser. Er ließ den Stein darin etwas köcheln, probierte das Gemisch und sagte: "Mit einer Prise Salz würde das fantastisch schmecken!" Die Hausherrin eilte und holte dem seltsamen Koch das Salz. Nach einer Weile murmelte dieser: "Ach, wenn ich jetzt noch ein paar Bohnen und etwas Wurst hätte ..." So ging es immer fort, bis die Steinsuppe mit den feinsten Zutaten "abgeschmeckt" worden war. Die geizigen Hausbesitzer waren von der Schmackhaftigkeit dieses wundersamen Gerichts überzeugt, und den Stein verwahrten sie fein säuberlich, um aus ihm noch viele leckere Steinsuppen zu kochen. Die Legende der Steinsuppe erzählt man sich zwar regional abgewandelt auch in Kastilien und Großbritannien, aber in Almeirim servieren die Wirte trotzdem voller Stolz die "original Steinsuppe". Und auch heute noch gehört in den Topf ein kleiner Kieselstein, zu Erinnerung an den findigen Mönch.

Caldo verde, sopa de amêijoas, sopa de feijão, sopa de pedra, sopa alentejana, sopa juliana, sopa do cozido - die Reihe ließe sich endlos fortsetzen, und es gibt tatsächlich wohl kaum etwas, aus dem in Portugal keine Suppe gezaubert wird. Jede Region hat ihre eigene Favoritin, und jede Familie ihr eigenes Geheim-Rezept. Mit verklärt-seligem Blick schwärmten meine Kommilitonen in Caldas da Rainha von den Spezial-Suppen ihrer Mütter, die sie bei jedem Besuch bereits dampfend erwarteten.

Vor einiger Zeit beugte sich nun sogar McDonalds der nationalen Suppenliebhaberei und führte kurzerhand Flüssignahrung ins Programm ein. Sechs Suppen zieren seitdem die Speisekarten des Fast-Food-Multis, der versucht, damit sein ungesundes Image aufzupolieren. Zum Wohle der Kinder ist zu hoffen, dass sich diese gute Tradition tatsächlich auch weiterhin gegen Cheeseburger und Co durchsetzt. Denn so ein Süppchen wärmt nicht nur Herz und Magen, es stärkt auch noch das Immunsystem, hilft bei Verdauungsschwierigkeiten und soll Krebserkrankungen vorbeugen.
Auf jeden Fall schmeckt es herrlich!







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Portugal-Post Nr. 39 / 2007