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150 Jahre Deutsche Schule Lissabon (DSL)

Von Peter Koj

Als die erste Deutsche Schule Lissabon am 1. August 1848 in der Rua Largo de São Roque, 86 ihre Pforten öffnete, bestand eine deutsche Kolonie bereits seit vielen Jahrhunderten. Abgesehen von den deutschen Kreuzrittern, die nicht den Weg nach Jerusalem oder zurück in die deutsche Heimat fanden, sondern sich statt dessen mit Vorliebe in Portugals Norden niederließen, war die deutsche Präsenz in Lissabon seit der Zeit der Bartholomäus-Brüderschaft, eine vor über 700 Jahren gegründete und noch heute existierende Hilfsgemeinschaft, stark geprägt durch Vertreter der Hansestadt Hamburg.

Das beginnt mit dem Hamburger Holzhändler Overstädt (portugiesisch Sobrevila), auf dessen Grundstück an der Praça do Município Mitte des 13. Jahrhunderts die erste Bartholomäuskapelle gebaut wurde und führt über das seit 1566 eingerichtete Hamburger Konsulat und das starke Engagement der Hamburger Kaufmannschaft nach dem verheerenden Erdbeben von 1755 bis hin zu der traditionell starken Vertretung Hamburger Lehrer und Lehrerinnen im Kollegium der DSL.

Unter den ehemaligen Lehrern, die der Einladung zu den 150Jahrfeiern gefolgt waren, befanden sich alleine fünf Hamburger Vertreter. Auf dem nebenstehenden Foto präsentieren sie sich gemeinsam mit ihren Kollegen aus den anderen Bundesländern auf dem Ball der Ehemaligen, der am Sonnabend, dem 24. Oktober, im Festzelt des Centro Cultural de Belém stattfand. Am Nachmittag desselben Tages war Gelegenheit, die Schule zu besuchen und sich einen Eindruck über die baulichen Veränderungen zu verschaffen, sich aber auch anhand von liebevoll präsentierten Projekten (überwiegend zu dem Thema "Meer") von der Kreativität und dem Niveau der auf der DSL geleisteten Arbeit beeindrucken zu lassen.

Am nächsten Tag reichte der große Festsaal des Centro Cultural de Belém kaum aus, um all die Besucher des offiziellen Festaktes aufzunehmen. Vorweg gab es einen ökumenischen Gottesdienst und anschließend ein buntes Programm von hohem Niveau. Die Festreden hielten der Historiker Prof. Wolfgang Mommsen, der die 150jährige Geschichte der DSL in die allgemeinen historischen Entwicklungsprozesse in Europa einzubetten versuchte, und der ehemalige portugiesische Staatspräsident Dr. Mário Soares. Mit seinen launigen Ausführungen, die aber nichtsdestoweniger von einer profunden Kenntnis der deutsch-portugiesischen Beziehungen zeugten, gelang es ihm, vor allem die jungen Zuhöhrer, nach dem eher akademischen Vortrag von Prof. Mommsen wieder aufzumuntern.

Aus den beiden Vorträgen wurde jedoch deutlich, dass die DSL wie jede Auslandsschule im politischen Spannungsfeld zwischen Heimat- und Gastland steht. So löste das während der Nazi-Zeit besonders stramme Verhalten der deutschen Lehrer selbst im Portugal Salazars Befremden aus. Z.B. exerzierte der Mathematiklehrer Kurt Schüppel in voller Uniform als HJ-Führer seine Schüler auf dem Schulgelände an der Praça de Espanha (abgebildet in der Público-Beilage vom 25.10.98) und der Lehrer Otto Capritz ("Pg. Capritz") rügte eine Schülerin wegen "undeutschen Verhaltens", weil sie ihre Gymnastiklehrerin mit "beijinhos" begrüßt hatte (sog. "beijinhos-Fall").

Nach dem Krieg und der Wiedereröffnung der DSL verlief das politische Gefälle in entgegengesetzter Richtung. So erhielt der Klassenlehrer des Abiturjahrgangs 1968 einen Eintrag in die Personalakte, weil bei der Entlassungsfeier für die Abiturienten Szenen aus Dürrenmatts Stück "Der Stall des Augias" aufgeführt wurden, die für das herrschende politische Regime zu aufrührerisch waren. Unser Mitglied Horst Köpcke war damals an der DSL tätig und berichtet in dem reich dokumentierten Jubiläumsband darüber. Sein Bericht über den Wirbel, den die Aufführung eines anderen Stückes, "Das Ei des Columbus", an der DSL am Ende der Salazar-Ära hervorrief, fand aus Platzgründen keine Aufnahme. Wir werden ihn bei Gelegenheit in der Portugal-Post abdrucken.

Absolut in das politische Fadenkreuz geriet die DSL, als sie für den Abend des 25. April 1974 einen Festakt zu ihrem 125jährigen Bestehen ansetzte. Der deutsche Botschafter und der damalige portugiesische Erziehungsminister Veiga Simão waren eingeladen, und es wurden besonders kostbare Fauteuils eigens für die hohen Gäste aus der Nationalversammlung herangeschafft. Die historischen Ereignisse in den frühen Morgenstunden des 25. April "verdarben" jedoch das Fest. Dafür sorgt nun die europäische Gemeinsamkeit eines demokratischen Portugals und Deutschlands für eine problemlose Kooperation, selbst wenn Sr. Veiga Simão wieder einen Ministersessel innehat, diesmal allerdings des Verteidigungs- und nicht des Erziehungsministeriums.





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Portugal-Post Nr. 4 / 1998




Hamburger ehemalige Lehrer:
obere Reihe: 2. von links: Horst Köpke (i.R.); davor mit Brille: Volker Hammerschmidt (GS Steilshoop);
2. von rechts: Dr. Peter Koj (Gym. Hochrad); davor mit Brille: Dr. Detlev Stoltenberg (i.R.);
vordere Reihe: 1. von rechts: Ingeborg Loether (i.R.)