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Touristische Neuheiten
wie sie (noch) in keinem Führer stehen

Von Peter Koj

Allenthalben in Portugal ist man dabei, das Kulturerbe, das teilweise in schlechtem Zustand ist, für den Tourismus herzurichten.« Para inglês ver» – „damit man es dem Engländer vorzeigen kann“, wie es so nett im Portugiesischen heißt. Was natürlich nicht bedeutet, daß auch Vertreter anderer Nationen, einschließlich der Portugiesen selbst, ihre Freude daran haben sollen.

In Aveiro geht man jetzt (endlich!) daran, gezielt und koordiniert die noch existierenden Jugendstilgebäude des „Venedigs des Nordens“ zu sanieren. Nachdem in den letzten Jahren die Stadtverwaltung eher negative Schlagzeilen machte (vorhandene Mittel für Renovierungen wurden nicht ausgegeben, statt dessen genehmigte man den Bau eines riesigen Einkaufszentrums mitten in der historischen Altstadt), sollen nun 25 Gebäude in dem dem typisch portugiesischen Jugendstil, der sich durch große Üppigkeit auszeichnet, wieder hergerichtet werden.

In Seia (Serra da Estrela) wird noch in diesem Jahr ein Museu do Pão, ein Brotmuseum, eröffnet. „Star“ des Museums wird die broa de milho sein, das für den Norden so typische Maisbrot. Es wird auf der Quinta Fonte do Marrão, auf der das Museum untergebracht ist, frisch hergestellt in einer Bäckerei, die rund um die Uhr arbeitet. Dazu gibt es eine Mühle zu besichtigen, wo der Mais „Korn für Korn“ nach traditioneller Weise gemahlen wird.

In Estoril ist inzwischen ein Museum eröffnet worden, das vor allem die Besucher anzieht, die sich für neuere Emigrationsgeschichte interessieren. Diese Geschichte enthält bekanntlich ein sehr wichtiges deutsch-portugiesisches Kapitel, denn zur Nazi-Zeit flüchteten ca 100.000 Deutsche nach Portugal, von denen zwar die meisten weiter nach Übersee zogen, eine ganze Reihe jedoch in Portugal eine neue Heimat fand. Im ersten Stock des Postgebäudes an der Marginal (wenn Sie aus dem Zug steigen, rechts vom Casino-Park) ist eine ständige Ausstellung untergebracht, die den etwas barocken Titel trägt: Espaço Memória – Cascais/Estoril – Lugar de Exílio.

Im nahen Sintra hat die Bürgermeisterin Edite Estrela touristisch sehr viel hochfliegendere Pläne. Sie möchte einen Kabinenlift (teleférico) von S. Pedro hinauf zum Penaschloß bauen und eine Kabelbahn (funicular) von der Ribeira de Sintra bis in die Altstadt. Die Arbeiten sollen 2004 abgeschlossen sein und werden die Kleinigkeit von 100 Mill. DM kosten. Was so etwas nach Disney-Tourismus klingt, hat jedoch einen ernsten Hintergrund: die beiden neuen Verkehrsmittel sollen helfen, das historische Zentrum Sintras, das ja UNESCO-Weltkulturerbe ist, von dem ihn allmählich erstickenden Autoverkehr zu befreien.

Zum Weltkulturerbe wurde vor einiger Zeit auch die Altstadt von Porto erklärt, was dazu geführt hat, daß einige der teilweise schon sehr verfallenen Gebäude in den historischen Vierteln wie Ribeira, Sé, Fontaínhas bereits saniert wurden. Zusätzliche Schubkraft erhalten diese Anstrengungen dadurch, daß Porto im Jahre 2001 europäische Kulturhauptstadt sein wird. Dies beinhaltet, ähnlich wie 1994 in Lissabon, zusätzliche Impulse zur Verbesserung der Infrastruktur. So haben die schon lange geforderten Arbeiten zum Bau der U-Bahn begonnen, die natürlich bis 2001 nicht beendet sein werden. Was dann allerdings schon in Betrieb sein dürfte, ist der comboio turístico, der die ehemalige Straßenbahn ersetzen soll, die an der Douro-Mündung (von der Börse bis Foz) entlangführte. Dazu soll die Alfândega Nova – ein trotz seines Namens historisches Gebäude, das schon lange nicht mehr als Zollgebäude dient – zu einem touristischen Bahnhof umgestaltet werden, während das umliegende Gelände auf dem Douro-Kai zu einem Verkehrsmuseum umgestaltet werden soll.

LISSABON
Die europäische Kulturhauptstadt (1994) und die Expo (1998) haben das Gesicht Lissabons mehr verändert als manchem vielleicht lieb ist. Das betrifft vor allem den Ausbau des Verkehrsnetzes – was im Falle der Metro seine durchaus positiven Seiten hat (siehe dazu den gesonderten Bericht) – aber auch die Restaurierung alter Gebäude und Stadtviertel. Während das Renovierungsprogramm RECRIA in den Altstadtvierteln Alfama und Bairro Alto sich bereits segensvoll ausgewirkt hat, ist man nun dabei, Lissabons berühmteste Plätze, den Rossio und die Praça do Comércio (von den Lissabonnern immer noch gerne Terreiro do Paço genannt) umzugestalten.

Der Terreiro do Paço, einstmals "der schönste Parkplatz der Welt", ist diesen Titel los, seit die Autos hier verbannt sind. Doch so richtig schön wird er erst wieder werden, wenn die geplante Unterführung des Straßenverkehrs entlang des Tejo abgeschlossen und eine durchgehende Fußgängerzone vom Triumphbogen (Rua Augusta) bis zum Tejo (Cais das Colunas) entstanden ist. In der Zwischenzeit wird die ehemalige Parkfläche für alle möglichen Veranstaltungen genutzt, u.a. auch für so reizvolle Ausstellungen wie die der üppigen Plastiken des südamerikanischen Bildhauers Botero im letzten Jahr.

Weniger konsequent – und damit auch weniger fußgängerfreundlich – wird der Rossio in seinen urspünglichen Zustand zurückversetzt werden. Zwar soll im Innenbereich das wunderschöne Steinpflasterbild (calçada) in Wellenform wiederhergestellt werden und die Blumenfrauen hier wieder ihren Platz finden (dafür verschwindet der Taxistand), aber man hat sich nicht entschließen können, den Autoverkehr, der um diesen Innenbereich brandet und den Platz damit zerschneidet, total zu verbannen. Er soll durch Aufpflasterung zwar beruhigt werden, dürfte damit aber noch immer der ursprünglichen Idee eines Rossio im Wege stehen: ein Rossio oder Rocio ist ursprünglich eine Rodung, die dann als zentraler Gemeinschaftsplatz (Allmende) diente, auf dem sich die Stadt- oder Dorfgemeinde zum Palavern oder Handeln traf.





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Portugal-Post Nr. 7 / 1999


Die Ausstellung "Espaço Memória"
wird im 1. Stock der Post in
Estoril gezeigt
Foto: Peter Koj




Praça do Comércio
Foto:Peter Koj