Buchtipp des Monats – März 2012

MERIAN live ! Lissabon

Sechs Jahre nach Erscheinen des Merian-Bandes Lissabon (April 2004) legt die Ganske Verlagsgruppe in ihrer Reihe MERIAN live! einen Lissabonführer nach. Die Tatsache, dass das Heft von 2004 inzwischen vergriffen ist, mag ein Grund sein. Der andere fällt selbst dem oberflächlichen Betrachter sofort ins Auge: Statt des traditionellen großformatigen (DIN A4) Heftes mit Texten, die zwar gegenüber früheren Ausgaben schon mächtig geschrumpft und durch umfangreiche Fotostrecken aufgelockert sind, haben wir jetzt ein Bändchen im Taschenformat mit geballter Information für den Touristen, der sich auf seinem Kurztrip gezielt informieren und entsprechend zielgerichtet in Lissabon bewegen möchte.

Es beginnt wie in der Ausgabe von 2004 mit den MERIAN-Top Ten. Immerhin sind diese zur Hälfte mit denen identisch, die ich in dem von mir gestalteten Service-Teil vorgeschlagen hatte. Beim weiteren Vergleich zeigt sich dann jedoch, wie unerlässlich diese neue Ausgabe ist, hat sich seit 2004 doch eine ganze Menge auf dem Sektor Hotellerie und Gastronomie getan. Auch ist eine Reihe von neuen Geschäften dazugekommen, die eine Aktualisierung notwendig machten. Hier hat der Autor, der in Köln ansässige Journalist Harald Klöcker, hervorragende Arbeit geleistet. Bei der Auswahl der Museen kann man durchaus zu anderen Ergebnissen kommen. So vermisse ich das mehrfach preisgekrönte Museu da Farmácia.

Auch bei anderen Themen zeigt der Autor Vertrautheit mit der Materie, so beim Fado (ich hätte allerdings die von ihm – zu Recht! – geschmähten touristischen Fado-Lokale des Bairro Alto konsequenterweise auch erst gar nicht vorgestellt), sei es bei den Azulejos (bitte nicht „Kacheln“! Das sind „Fliesen“!), sei es bei den Spaziergängen, die auch von weniger sportlichen Lissabon-Besuchern zu bewältigen sind. Als ehemaliger Bewohner der Costa do Estoril würde ich allerdings statt der Costa da Caparica (die auch nicht mehr das wie zu Zeiten von Curt Meyer-Clason ist) den wunderschönen Spaziergang auf der Mole von Estoril nach Cascais vorschlagen. Cascais verfügt zudem mit der Eröffnung des Museu Paula Rego über einen kulturellen, historischen und touristischen Rundgang, der in Portugal seinesgleichen sucht (dazu mein Artikel Portugals neueste Museumsattraktion in der Portugal-Post 47 ).

Für einen Leser mit Sprachgefühl, besonders für das Portugiesische, auch sehr erfreulich, dass die portugiesischen Begriffe mit dem ihrem Geschlecht entsprechenden deutschen Artikel verwendet werden ( die Praça, die Torre, der Eléctrico). Warum es an einigen Stellen der Ponte heißt, obwohl a ponte , als auch die Brücke weiblich ist, wissen die Götter. Da aber nun mal der Korrektur-Leu in mir geweckt ist: Der Lissabonner Stadtheilige heißt Santo António (nicht São António), und der Nationaldichter Luís de Camões besitzt in der Kirche Santa Maria (Jerónimos) keinen Sarkophag, sondern lediglich ein leeres Grabmahl (Zenotaph). Der Leichnam von Camões wurde bekanntlich in einem Massengrab beigesetzt. Es ist übrigens auch mehr als umstritten, ob der daneben stehende Sarkophag wirklich die sterblichen Überreste von Vasco da Gama beherbergt. Auf jeden Fall hätte bei der Beschreibung des auf dem Rossio stehenden Denkmals von D. Pedro IV. statt der Beschreibung der allegorischen Figuren zu seinen Füßen eine Erwähnung ihren Platz verdient, dass die Statue eigentlich den mexikanischen Kaiser Maximilian darstellt (José Cardoso Pires lässt sich zu Beginn seines Lissabonner Logbuchs darüber in launiger Form aus).

Aber bitte schön: Wo bekommt man ansonsten so fundierte und massierte Lissabon-Informationen? Vor der nächsten Reise an den Tejo unbedingt kaufen und in die Jacken-, Mantel- oder Handtasche stecken!

MERIAN live! Lissabon. München 2010. € 9,95

Dr. Peter Koj