Buchtipp des Monats – Juni 2012

Von Peter Koj

Hamburg – Parnass der brasilianischen Dichter - Textos com Textos

Viele Jahre war Zuca Sardan der einzige Vertreter brasilianischer Lyrik in Hamburg. Mit bürgerlichem Namen heißt er Carlos Felipe Saldanha. Er wurde 1933 in Rio de Janeiro geboren und war zu Zeiten, als es in Hamburg noch ein brasilianisches Generalkonsulat gab, dort als Kulturreferent tätig. Er lebt auch nach seiner Pensionierung noch in Hamburg, wo er seine skurrilen Gedichte schreibt und dazu nicht weniger skurrile Miniaturen zeichnet. Einige davon haben wir in verschiedenen Ausgaben der Portugal-Post abgedruckt. In Buchform sind seine Gedichte in diversen Anthologien erschienen wie z. B. im Band Boa Companhia des Verlags Companhia das Letras (São Paulo 2003).

Doch inzwischen ist Zuca nicht mehr der einzige brasilianische Dichter in Hamburg. Seit 2005 hat sich der „Zugvogel“ Fábio de Almeida hier niedergelassen. In Anlehnung an den amerikanischen Schriftsteller Jack Kerouac ( On the Road ) hat er sich das Pseudonym Fábio Kerouac zugelegt, unter dem im letzen Jahr sein erster Gedichtband erschien: Ein brasilianischer Dichter in Hamburg (mehr darüber in der Portugal-Post 49 ) . Fábio Kerouac gehört zu einer Gruppe junger brasilianischer Dichter, die seit einigen Jahren ihre Produktionen in den Räumen der Idiom Sprachschule (Rödingsmarkt 43) einem interessierten Publikum vortragen. Außer ihm sind dies der Leiter der Sprachschule Flávio Nascimento, dazu Fernando Moreira und der Musiker und capoeirista Watutsi, der offenbar die Dichterlesungen angestoßen hat. Ich hatte das Vergnügen, an einigen dieser unter dem Titel Textos com Textos veranstalteten Lesungen teilzunehmen und war beeindruckt von der Vielfalt der dichterischen Gestaltung.

Da sind zum einen die im schlichten Stil eines caboclo do sertão gehaltenen kurzen Gedichte, in denen die Volksweisheit der armen Bewohner des brasilianischen Nordostens Niederschlag findet. Zum anderen die die Grenzen zwischen Poesie und Prosa verwischenden Beiträge Flávio Nascimentos, in denen er sich mit Phänomenen und Situationen unseres täglichen Lebens auseinandersetzt. Und schließlich die stark vom Rhythmus und Klang geprägten Gedichte Watutsis, die den Musiker in ihm verraten. Watutsi liebt zudem das Wortspiel. Auch spiegeln seine Gedichte gelegentlich die Hamburger Realität. So wenn er sich über die bei den Festen der Brasilianer auferlegten Sicherheitsbestimmungen beklagt:

Mas na Alemanha é um perigo.

Não podemos ser autênticos

Porque a segurança impede

(„Aber in Deutschland ist es eine Gefahr.

Wir dürfen nicht authentisch sein,

Weil die Sicherheit es verhindert“).

Für alle diejenigen, die bei den Lesungen nicht dabei sein konnten oder gerne die dort vorgetragenen Gedichte noch einmal nachlesen möchten, gibt es eine gute Nachricht: Die Gedichte der letzten Drei sind jetzt als Taschenausgabe unter dem Titel Textos com Textos das Noites Literárias bei Books on Demand erschienen. Das Bändchen ist für 13 Euro entweder in der Idiom Sprachenschule zu erhalten oder bei jeder Buchhandlung (ISBN: 9783844811070). Es bietet außer den Gedichten eine sehr informative Einleitung von Petra Sorge dos Santos. Während diese auf Deutsch verfasst ist, sind die Gedichte im portugiesischen Original ohne Übersetzung abgedruckt. Portugiesischkenntnisse sind also Voraussetzung.

Fernando Morais, Flávio Nascimento , Joje Watutsi, Textos com Textos das Noites Literárias Books on Demand . 2012, 90 Seiten. € 13,90.