Buch des Monats - Oktober 2012

Die Werkstatt der Wunder

Jorge Amado

Von Peter Koj

Die Werkstatt der Wunder - Jorge Amado zum Hundertsten

Jorge Amado (1912 – 2001) gilt als Brasiliens bedeutendster zeitgenössischer Erzähler, selbst wenn Paulo Coelho größeren kommerziellen Erfolg hat. Amados Werke sind in 49 Sprachen übersetzt; aber auch im eigenen Lande wird er geliebt und verehrt, wobei die Literaturkritiker eher zurückhaltend sind, Feministinnen ihn des Sexismus zeihen und man ihm mancherorts seine Affinitäten zum Kommunismus übel nimmt. Seit 1931 hat er seine Romane veröffentlicht, von denen Gabriela, Cravo e Canela (dt. Gabriela wie Zimt und Nelken ) und Dona Flor e os seus dois maridos (dt. Dona Flor und ihre zwei Ehemänner ) nicht zuletzt durch ihre Verfilmungen in Brasilien Kultstatus haben.

Nun hat der S. Fischer Verlag pünktlich zu Amados 100. Geburtstag (10.8.2012) den 1969 erschienenen Roman A tenda dos milagres (dt. Die Werkstatt der Wunder ) in neuer Übersetzung herausgebracht. Dies ist aus mehreren Gründen eine glückliche Wahl. Zum einen gilt Die Werkstatt der Wunder als Amados Lieblingsroman. Hier hat er seine Vorstellungen von Rassenmischung und von Afrobrasilianismus auf geniale Weise umsetzen können. Die Hauptfigur, der Pedell Pedro Archanjo, der diese Ideale verkörpert, gilt somit als alter ego Amados. Und zudem geht es auch hier um einen 100. Geburtstag: 24 Jahre nach Archanjos jämmerlichem Tod in der Gosse soll die 100. Wiederkehr seiner Geburt feierlich begangen werden, aber nur, weil ein smarter US-Ethnologe auf dessen Verdienste aufmerksam gemacht und einen wahren Taumel in Bahia ausgelöst hat.

Diese Wissenschaftssatire ist jedoch nur ein Handlungsstrang des vielschichtig, aber immer kurzweilig angelegten Romans. Hier kriegt eigentlich jeder sein Fett weg, abgesehen natürlich vom kleinen Mann. In die liebe- und humorvolle Schilderung der armen Bevölkerung von Bahia und ihrer Verteidigung des Samba und der afrikanischen Riten (Candomblé) gegen eine rassistische und repressive Obrigkeit fließt Amados ganzes Herzblut. Er macht den 1969 erschienenen Roman auch heute noch zu einer reizvollen Lektüre, und man kann dem Fischer Verlag nur dankbar sein, dass er dieses Meisterwerk, das dem deutschen Leser bisher nur in einer sehr fehlerhaften DDR-Übersetzung von 1972 vorlag, die von Piper (München) 1978 unter dem Titel Die Geheimnisse des Mulatten Pedro nachgedruckt wurde, Karin von Schweder-Schreiner noch einmal zur Übersetzung vorgelegt hat. Sie verfügt durch ihren mehrjährigen Brasilienaufenthalt über die dafür notwendigen landeskundlichen Kenntnisse, und vor allem gelingt es ihr, den erzählerischen Schwung Amados ins Deutsche adäquat zu übertragen.

Und noch ein Vorzug der neuen Ausgabe soll nicht unerwähnt bleiben, nämlich das Nachwort des Literaturwissenschaftlers Henry Thorau, in dem er eine brillant formulierte, auch für den Nichtwissenschaftler gut lesbare und informative Einordnung des Werkes liefert. Und wie man hört, will der Fischer Verlag weitere Neuübersetzungen des großen Brasilianers auf den Markt bringen, schließlich steht die Frankfurter Buchmesse von 2013 vor der Tür, auf der Brasilien nach 1994 mal wieder Gastland sein wird.

Peter Koj

  Jorge Amado, Die Werkstatt der Wunder Übersetzt von Karin von Schweder-Schreiner . S. Fischer Verlag 2012. € 25,70