Buch des Monats August 2013

Lissabonleipzig

von Dr. Peter Koj

So der deutsche Titel eines im letzten Jahr erschienenen Werkes. Er macht jemanden, der sich für den deutsch-portugiesischen Kulturaustausch interessiert zumindest neugierig, zumal wenn er – wie der Rezensent – aus Hamburg kommt, der „portugiesischsten Stadt Deutschlands“, wo es mit Elbatejo eine interkulturelle Gruppe gibt, die dieVerbundenheit zweier Städte, in diesem Fall Hamburg und Lissabon, ebenfalls durch die Verknüpfung zweier Toponyme zum Ausdruck bringt.

Wer jedoch die beiden unter diesem Titel erschienenen Bände der portugiesischen Schriftstellerin Maria Gabriela Llansol (1931 – 2008) liest, wird wenig über direkte, womöglich historisch begründete Beziehungen zwischen Lissabon und Leipzig finden. Vermutlich war die Autorin selbst nie längere Zeit in Leipzig. Dafür lebte sie 20 Jahre (1965 – 1985) mit ihrem Ehemann Augusto Joaquim im belgischen Exil, wo große Teile des ersten Bandes entstanden. Doch auch in Belgien kam es zu keinem direkten Kulturaustausch, sieht man mal von dem starken Eindruck ab, den die Beginenkultur (Brügge) und die damit verbundene weibliche Mystik auf die junge Portugiesin machten.

Der Kulturaustausch findet bei Maria Gabriela Llansol in Form einer „unerwarteten Begegnung des Verschiedenartigen“ statt (so der Untertitel des ersten Bandes). Dazu treten drei Hauptfiguren in einen Dialog ein: als Vertreter der Musik Johann Sebastian Bach (deswegen Leipzig), als Vertreter der Dichtung der Lissabonner Fernando Pessoa (unter dem Pseudonym Aossê) und der Philosoph Baruch Spinoza. Dessen Familie trieb es, ähnlich wie die Autorin ins flämische Exil (Amsterdam), wenn auch aus anderen Gründen als Augusto Joaquim, der dadurch dem Militäreinsatz im Kolonialkrieg entging: Die aus Vidigueira stammenden Spinozas waren Sefarden und brachten sich durch ihre Flucht vor der Inquisition in Sicherheit.

Die Begegnungen zwischen diesen drei Figuren sind nun nicht romanhaft gestaltet, sondern spielen sich auf einer gedanklich-emotionalen Ebene ab, auf die sich der Leser aufschwingen muss. Er muss sich – wie die Autorin ihres „Romanessay“ fordert – „auf den Pakt der Lektüre einlassen, den meine Texte voraussetzen“ (S. 7). Doch dann erschließt sich ihm eine wunderbare und wundersame Welt, die geprägt ist von Empathie, sozialer Gerechtigkeit und (nicht-religiöser) Gläubigkeit.

Die beiden Bände sind erschienen als Nummer 10 und 11 der Portugiesischen Bibliothek des Leipziger Literaturverlags und wie die ersten 9 Bände von Markus Sahr übersetzt (alle rezensiert in den Literaturbeilagen der Portugal-Post 48 und 50 ). Vom übrigen Werk der Autorin wurden bisher nur eine Erzählung von Renate Heß ( Einen Hund lieben ) und eine von Elfriede Engelmeyer ( Ein philosophischer Gefährte ) übersetzt. Es wäre wünschenswert, wenn auch der eine oder andere preisgekrönte Roman von Maria Gabriela Llansol ins Deutsche übertragen würde.

Abschließend eine kleine Hamburgensie, sozusagen „LisboaHamburgo“. Das unter dem Titel Lisboaleipzig 1994 erschienene Original wurde von João Barrento lektoriert, den der eine oder andere Leser noch aus seiner Zeit als Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg kennt. Er verwaltet zudem den Nachlass von Maria Gariela Llansol im Espaço Llansol , der ehemaligen Estalagem da Raposa in Colares (bei Sintra), dem letzten Wohnsitz der Autorin.

  Maria Gabriela Llansol, Lissabonleipzig.Band 1: Die unerwartete Begegnung des Verschiedenartigen, Band 2: Die Musikprobe. Aus dem Portugiesischen von Markus Sahr. Leipziger Literaturverlag 2012, je € 19,95