Buchtipp des Monats Juli 2014

Von Peter Koj

Landschaft mit Tonband

Ein später Nachtrag zu den brasilianischen Romanen, die rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse 2013 in deutscher Übersetzung erschienen sind: Carola Saavedras Landschaft mit Dromedar . So ungewöhnlich wie der Titel ist die Form dieses Werkes. Von „Roman“ im klassischen Sinne kann man nicht reden, handelt es sich doch um 22 Tonbandaufnahmen. Auf ihnen kommt eine einzige Sprecherin zu Wort, die in eine schöpferische und menschliche Krise geratene Künstlerin Érika. Sie hat sich auf eine Insel im Atlantik geflüchtet (Teneriffa?), um Abstand zu gewinnen zu Alex, dem übermächtigen Lebens- und Künstlergefährten und zum Tod der jungen Karen, die mit ihnen in einem Dreiecksverhältnis lebte.

Eingeblendet in Érikas Ausführungen sind Hintergrundgeräusche, die mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Nicht zufällig wird gleich zu Beginn in Anspielung an Wim Wenders Film Lisbon Story auf die Bedeutung der Geräusche hingewiesen: „Es gibt da doch diesen Film – der Titel fällt mir gerade nicht ein – in dem ein Mann durch Lissabon läuft, irgendwie so war das. Statt einer Kamera hat er ein Tonbadgerät. Er nimmt alles auf, wie ein Tourist eben.“ (S. 11). Sind es anfangs vor allem Naturgeräusche, die auf Érikas Tonband aufgezeichnet sind, gewinnen später von ihr eingespielte Aufnahmen mehr und mehr Raum, in denen sich Alex über ästhetische Fragen der Konzeptkunst auslässt. Dem Leser drängt sich durch diese mediale Verfremdung eher der Eindruck auf, dass es hier nicht so sehr um die Handlung als solche geht, sondern wir es eher mit einem Kunstwerk der concept art zu tun haben. Damit reiht sich Carola Saavedra in die Schar der von uns bereits vorgestellten brasilianischen Autoren ein, die ihr Sujet weit weg von landeskundlichen Themen wie favelas und Indianern wählen und dieses mit großer Originalität behandeln.

Carola Saavedra, Landschaft mit Dromedar Aus dem Portugiesischen von Maria Hummitzsch C.H.Beck Verlag München 2013 € 17,95