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ESSA NOSSA DITOSA LÍNGUA IV
Portinglês, Portunhol und andere estrangeirismos

Von Peter Koj

Das Portugiesische ist wie jede andere moderne Fremdsprache, die sich ständig verändert und nach allen Seiten offen ist, voller Fremdwörter (estrangeirismos) der verschiedensten Herkunft. Gelegentlich gehen diese sprachlichen Anleihen so weit, dass bald schon wieder eine neue (Misch)Sprache entsteht, so z.B. mit dem Spanischen (Português + Espanhol = Portunhol/Portuñol) und dem Englischen (Português + Inglês = Portinglês).

Beim Spanischen lässt sich die Vermengung durch die große Ähnlichkeit der beiden iberischen Sprachen erklären, die es sogar überflüssig macht, etwas an der spanischen Rechtschreibung zu ändern. Bei vielen dieser direkt übernommenen Begriffen ist den Portugiesen nicht einmal die spanische Herkunft des Wortes bekannt, z.B. a cataplana, a gamba. Während o mirone (= der Gaffer) und o aficionado (= der Anhänger einer Sportart, bes. des Stierkampfs) immerhin einen portugiesischen Artikel bekommen, wird bei la movida (= das nächtliche Treiben) selbst darauf verzichtet.

Die Übernahme einer Vielzahl von englischen Begriffen ins Portugiesische hat ihre Gründe wohl eher in der großen politischen und neuerdings auch technologischen Bedeutung der englischsprachigen Nationen, allen voran der Vereinigten Staaten. Die Portugiesen sind bei der Übernahme von Anglizismen etwas unkomplizierter als z.B. die Franzosen, wo sogar gerichtlich gegen eine Ausbreitung des sogenannten "Franglais" (= Français + Anglais) vorgegangen wird. Trotzdem gibt es auch in Portugal Puristen, die gegen eine Überschwemmung des Portugiesischen mit Fremdwörtern wettern.

Dabei ist - historisch betrachtet - das Portugiesische nichts anderes als eine Mischung der verschiedenartigsten estrangeirismos. Überspitzt könnte man sagen, dass selbst der Wortschatz lateinischen Ursprungs, der die eigentliche Grundlage des Portugiesischen als romanischer Sprache darstellt, von den römischen Besatzern der keltiberischen Urbevölkerung aufgezwungen wurde. Später kam mit dem Einfall der germanischen Stämme Wörter germanischen Ursprungs dazu, z.B. o ganso (die Gans), o margrave (der Markgraf).

Noch stärkere sprachliche Spuren hinterließen die Araber, die seit 711 bis ins 12. und 13. Jahrhundert hinein (in Spanien sogar bis zum Ende des 15 Jahrhunderts) die iberische Halbinsel beherrschten. Eine ganze Reihe von Begriffen, bes. aus dem häuslichen Bereich, der Landwirtschaft, der Verwaltung, aber auch zahlreiche Ortsnamen (kleine Auswahl in Michael Studemund-Halévys ARTEMIS Kunst- und Reiseführer, S. 375) sind arabischen Ursprungs, oft erkenntlich an der Anfangssilbe "al", dem ursprünglichen arabischen Artikel (a almofada, Alfama, o Algarve etc).

Im 15. und 16. Jahrhundert bereicherten die portugiesischen "Entdecker" und Seefahrer die portugiesische Sprache mit Begriffen aus den jeweiligen Eingeborenensprachen, insbesondere aus der Tier- und Pflanzenwelt. Dass es auch anders ging, zeigten die spanischen Konquistadoren, die mit heimischen Begriffe operierten. So wurde die Banane platano getauft, weil sie an die heimische Platane erinnerte und die Ananas piño, weil sie entfernte Ähnlichkeit mit dem Pinienapfel hat.

Selbstverständlich gab es auch im Portugiesischen ständig Anleihen in fremden Fachsprachen. In der Medizin waren das Latein bzw Griechisch. So ist noch heute im Portugiesischen ein sogenannter "gelehrter" Begriff üblich für die meisten Köperteile, Krankheiten oder Ärzte, wo wir uns eines eingedeutschten Begriffes bedienen können, z.B. o fémur (Oberschenkelknochen), a apendicite (Blinddarmentzündung), o oftomologista (Augenarzt). Diesem Umstand verdanken wir das wohl auch längste portugiesische Wort: o otorrinolaringologista, zu deutsch der HNO-Arzt. Versuchen Sie mal, es auszusprechen ohne anzustoßen. Bis Ihnen das gelungen ist, sind sicher inzwischen die Halsschmerzen verflogen und Sie brauchen den otorrinolaringologista nicht mehr.

In der Neuzeit wurde Frankreich zum großen kulturellen Vorbild Portugals, was einherging mit der Übernahme einer ganzen Reihe von französischen Wörtern, ein Prozess der bis zum heutigen Tage anhält. Im allgemeinen behalten die französischen Lehnwörter ihre ursprüngliche Rechtschreibung bei, werden aber im Druck im allgemeinen als Fremdwörter kenntlich gemacht (z.B. durch Kursivdruck). Andere wiederum sind inzwischen schon so gebräuchlich, dass ihre Rechtschreibung dem Portugiesischen angepasst wurde.

Hier ein paar Beispiele: o abajur (l'abat-jour, der Lampenschirm), a boate (la boîte - der Nachtclub), o cupão (le coupon, der Abschnitt), o croissã (le croissont, das Hörnchen), o(!) duche (la douche, die Dusche), o guichê (le guichet, der Schalter), a rulote (la roulotte, der Wohnwagen), o sutiã (le soutien, der BH), o chofer (le chauffeur, der Fahrer). Hierzu gehört auch o detalhe (le détail), das von stilbewussten Lusitanisten abgelehnt wird. Man soll statt dessen o pormenor benutzen. Doch beim Adverb pormenorizadamente (im Detail) komme ich regelmäßig ins Straucheln und ziehe wie viele Portugiesen den Gallizismus detalhadamente vor.

Die stärkste Überfremdung des Portugiesischen geht jedoch vom Englischen aus. Das ist natürlich besonders dort der Fall, wo die portugiesische und die englische Sprachwelt unmittelbar aufeinander treffen.

So hat sich unter den 600 000 in Südafrika lebenden portugiesischen Emigranten eine eigenen Mischsprache entwickelt (siehe den Artikel "Portinglês" sem mestre im Zeitungsteil. Dazu auch der Artikel Portuñol, língua a prazo über den Sprachen"kampf" im spanischen Grenzgebiet). Und im Algarve treibt das Werben um den englischen Kunden besonders kuriose Blüten, wie die Speisekarte des Restaurants "A Camponesa" belegt.

Na, haben Sie die Karte entziffern können? Man muss schon sehr gut Englisch und Portugiesisch beherrschen, um das sprachliche Mischmasch zu entwirren. Sollte es Ihnen sogar gelingen zu erraten was sich hinter den Understandes verbirgt, lassen Sie es uns wissen: es winkt Ihnen der "Helge-Dankwarth-Gedächtnispreis"!

Doch nicht nur auf algarvischen Speisekarten, auch im portugiesischen Alltag trifft man ständig auf englische Begriffe, die auf Anhieb nicht als solche erkennbar sind, weil ihre Rechtschreibung auf abenteuerliche Weise "lusitanisiert" wurde. Oder hätten Sie a tichêrte (in Braga habe ich sogar die Variante ticharte gefunden) gleich als T-Shirt wiedererkannt? Bei einigen Fachausdrücken hat man die ursprüngliche Schreibung beibehalten, z.B. carter (Ölwanne), slide (Dia), wafer (Waffel), timing (die richtige Zeiteinteilung). Dagegen steht jedoch eine Vielzahl von Wörtern, die man sich erst einmal über die Lippen gehen lassen muss, um das englische Original herauszufinden.

Also versuchen Sie sich mal bei den folgenden Begriffen. Die Lösung finden Sie auf hier

1. o bife2. a sandes3. o coquetel
4. o uísque5. o xelim6. o cadilaque
7. o queque8. charape9. o camone
10. a esterlina11. Xerloque Olmes12. a jarda
13. o jipe14. o taparuer15. o piquenique
16. o pónei17. o póquer18. o ianque
19. o golo20. driblar21. o pabe
22. jines23. o time24. o chute
25. a naifa26. o lanche27. o cobói
28. snifar29. o líder30. o ganguester
31. a tosta

Nun, wie viele englische Wörter haben Sie herausbekommen? Wie gesagt, es geht übers Ohr und nicht über das Auge. Ein besonders gutes Beispiel ist die No.14, bei dem es sich um einen englischen Markenartikel handelt, der hierzulande zwar "richtig" geschrieben, dafür aber "falsch" ausgesprochen wird. Für den Portugiesen ist der Klang wichtiger. Dieses gute Gehör für fremde Laute, das die Portugiesen vor anderen Südeuropäern (Franzosen, Spaniern, Italienern) auszuzeichnen scheint, habe ich übrigens auch bei meinen portugiesischen Schülern in Lissabon immer wieder positiv erleben können.

Einige der von mir versammelten Wörter in Portinglês sind inzwischen so sehr ins Portugiesische einverleibt, dass man mit ihnen grammatisch all das machen kann wie mit "gestandenen" portugiesischen Begriffen. So gibt es zu o chute (No.24) das Verb chutar (schießen) und zu o lanche (No.26, nicht verwechseln mit a lancha, die Barkasse) das Verb lanchar (vespern). Von naifa (No.25) ist abgeleitet o naifista (der Klappmesserheld), von cobói (No.27) a coboiada (wildes Fest, Gelage, "Zug durch die Gemeinde") und von snifar (No.28) a snifada (eine Kokainprise). Und líder und ganguester bilden den korrekten portugiesischen Plural der Substantive auf -r, nämlich mit -es (líderes, ganguesteres).

Man fragt sich natürlich, warum die Portugiesen a tosta (No.31) brauchen. Es gibt doch schon das schöne Wort torrada (und beide Wörter haben zudem noch denselben lateinischen Ursprung!). Doch gelegentlich kann ein englischer termo técnico, Spezialbegriff, sehr zupass kommen, z.B. tea break. Doch leider trinkt man in Portugal lieber einen Kaffee. Also warum nicht analog zur englischen Teepause einen portugiesischen coffee break? Doch das geht wieder nicht, weil der Portugiese seinen Kaffee nicht kollektiv einnimmt, sondern sich einzeln unter irgendeinem Vorwand mehr oder weniger heimlich verzupft, um an seine geliebte bica zu gelangen (...não vão todos ao mesmo tempo mas cada um com a sua desculpa.)

Die verschiedenen Vorschläge, coffee break auf portugiesisch wiederzugeben (Descanso pró cafezinho. Pausa-café. 10 minutos de cavaqueira.) verwirren den Lissabonner Yuppie, den Brasilianer, den Alentejaner (von links nach rechts) nur und steigern noch mehr ihren Kaffeedurst. Hätten Sie einen praktikablen Vorschlag?





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Portugal-Post Nr. 3 / 1998








































































































seltsam anmutender Sprachen-Cocktail
























































Coffee Break auf Portugiesisch?