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Rezension:
Sabine Scholl, Lissabonner Impressionen. Literarische Streifzüge

Von Peter Koj

Lissabon ist in, auch und gerade als Metropole der Literaten. Nach José Cardoso Pires (Lissabonner Logbuch) und Antonio Tabucchi (Lissabonner Requiem) haben sich nun auch deutsche Autoren auf literarische Streifzüge an die Tejomündung begeben. Allen voran Werner Herzog. Sein 2002 erschienenes Buch wurde schon in der Portugal-Post 23 in meinem Aufsatz "Bücher, die durch Lissabon führen" gewürdigt. In diesem Jahr sind es gleich zwei neue literarische Führer: Claus-Günter Franks Entdeckungen in Portugals Metropole, das wir in der letzten Portugal-Post vorgestellt haben, und die soeben erschienenen Lissabonner Impressionen von Sabine Scholl. Das Schöne und Bemerkenswerte ist nun, dass die drei Bücher so unterschiedlich in ihrer Ausrichtung sind, dass sie sich gegenseitig nichts nehmen, sondern eher ergänzen.

Sabine Scholl, ehemalige Dozentin an der Universität Aveiro, steht sozusagen zwischen ihren beiden Vorgängern. Sie geht zwar auch auf einzelne Lokalitäten und ihre Bedeutung für bestimmte Autoren und Zeitphänomene ein, bastelt daraus aber keine systematischen Spaziergänge. Dafür gibt es eine Reihe von Exkursen in Portugals Geschichte hin bis zum heutigen Tag, die dem Leser ein geistiges Bild Portugals vermitteln sollen. Hier ist vieles treffend gesehen, vor allem in den beiden ersten Kapiteln ("Warum Lissabon?" und "Navigationen - Lissabon im Blick der anderen"). Daneben gibt es ausführliche Exkurse zu Portugals literarischen Größen (Camões, Eça, Pessoa, Saramago, Lobo Antunes, Lídia Jorge). Für denjenigen, der ihre Werke gelesen hat, sind die teilweise überlangen Inhaltsangaben jedoch weniger interessant.

Ein großer Pluspunkt ist die Aktualität des Buches, das auch neueste Veröffentlichungen berücksichtigt, z.B. die beiden Romane von Robert Wilson (dazu S.30 dieser Ausgabe). Wilson ist aber, bitte schön, Engländer und kein Amerikaner. Ebenso wie Erklärt Pereira (1995) nicht Marcello Mastroiannis letzter Film ist, sondern der von Manoel de Oliveira 1997 gedrehte Viagem ao Princípio do Mundo. Und ebenso ist Die Küste des Raunens nicht Lídia Jorges erster Roman, sondern der von Maralde Meyer-Minnemann übersetzte O Dia dos Prodígios. Und wo wir schon am Nörgeln sind: bei der portugiesischen Orthographie wäre ein wenig mehr Sorgfalt vonnöten gewesen. Dass die Autorin (oder der Setzer?) es mit den Akzenten nicht so genau nimmt, dürfte die wenigsten stören (so bekommt Mário Soares keinen Akzent ab, dafür aber ungerechtfertigterweise Antonio Tabucchi, denn obwohl er inzwischen auch die portugiesische Staatsangehörigkeit hat, dürfte er seinen Vornamen weiterhin auf italienisch, d.h. ohne Akzent, schreiben). Dass aber der Nachname der portugiesischen Ikone Amália Rodrigues hispanisiert wird ("Rodriguez"), und zwar gleich zweimal, dürfte nicht nur die Fadofreunde unter uns erzürnen. Und wann wird es sich endlich herumgesprochen haben, dass azulejos keine Kacheln, sondern Fliesen sind?





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Portugal-Post Nr. 32 / 2005